Achtung und Ehrfurcht vor dem Leben

2014-10-01

„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“(Albert Schweizer)

 

Wissenschaft wofür? Mit welchem Ziel und welchen Schwerpunkten?

Damit es keine Mißverständnisse gibt: Unsere Arbeitsgruppe zur wissenschaftlichen Vertiefung von Ernährungssouveränität stellt den Menschen und seine Mitwelt in den Mittelpunkt. Es geht uns um die Frage: Wie kann in Südtirol, wie weltweit, das Menschenrecht auf gesunde und kulturell entsprechende Nahrung gesichert werden?

Im Weltargrarbericht wird ohne beschönigende Worte Folgendes festgeschrieben: Unser Ernährungsystem ist eine der wichtigsten Ursachen für den Klimawandel, das Artensterben, für Umweltvergiftung, Wasserknappheit, Kinderarbeit, Armut und Unterernährung. Diese Situation ist AUCH Folge einer menschenfremden Wissenschaft, die das Gespür für die Zusammenhänge und Wechselbeziehungen verloren hat und vielfach nur jenen dient, die dafür gut bezahlen können.

 

Warum Expo 2015?

Die Expo 2015 in Mailand stellt das Thema „Nahrung für die Welt – Energie für das Leben“ in den Mittelpunkt. Mehrere Monate lang soll dieses Event die Weltöffentlichkeit informieren und sensibilisieren. Doch der Haken dabei ist, dass die großen Sponsoren der Veranstaltung aus der Welt der Chemie-, Agrar- und Konsumindustrie kommen und daher geringes Interesse daran besteht, Entwicklungsprozesse zur Ernährungssouveränität zu fördern.

„Wenn wir die Probleme mit demselben Denken lösen wollen, das sie verursacht hat, reproduzieren wir das Bestehende.“ Diese Aussage von Albert Einstein zeigt auf, worum es letztlich geht: Es braucht vor allem eine neue Sicht, ein verändertes Denken, das nicht wirtschaftliche Einzelinteressen, sondern die globale Verbundenheit in den Mittelpunkt stellt. Irgendwie wirkt die Mailänder Expo wie ein letztes gorßes Dinosauriergelage, während vor den Türen Millionen von hungernden Menschen auf Brosamen warten.

 

Eine Gegen-Expo also?

Wer ohne Makel ist, werfe den ersten Stein…

Ich gehe davon aus, dass letztlich ein jeder von uns Teil der Geschichte ist. Die Probleme und Herausforderungen liegen nicht in einzelnen „Bösewichten“, die einen Teil der Menschheit aushungern wollen, sondern in einem Räderwerk von lebensfremden Vernünftigkeiten. Es mag „vernünftig“ sein, wenn die Pensionsfonds in die Agrarbranche investieren, es wirkt „rational“ und „logisch“ wenn der Ertrag durch Einsatz von Chemie gesteigert werden kann, es ist wirtschaftlich „sinnvoll“, wenn die Exporte aus der landwirtschaftlichen Überproduktion in Europa nach Afrika gefördert werden…

JedeR von uns steht vor solchen Herausforderungen, wenn sie/er in der Bank oder im Supermarkt steht. Was ist uns wirtschaftlich „vernünftig“? Wie gut ist es, „nicht zu wissen“, was für Geschichten sich hinter den Regalen im Supermarkt verbergen?

 

Nicht „gegen“, aber tiefer…

…möchten wir in unserer landesweiten Kampagne zur Ernährungssouveränität gehen. Ein Innehalten, ein Vertiefen und eine Veränderung zum „Guten Leben“, wobei schon das Nachdenken über das, was uns wirklich „gut“ ist, in die Tiefe führt.

Die Arbeitsgruppe „Wissenschaft zum Leben“ möchte möglichst viele Menschen zum Mitdenken anregen:

  • Das ABC des Essens ist eine spielerische Form, sich dem Thema Nahrung zu nähern. Wer mag, ist dazu eingeladen, Stichworte, Kommentare, Anregungen, Projekte… aus allen Lebensbereichen einzubringen. Wichtig ist, dass sich die Beiträge auf maximal 1.000 Anschläge beschränken.
  • Wer interessante wissenschaftliche Arbeiten zu den unten aufgelisteten Schwerpunktthemen empfehlen möchte, ist dazu herzlich eingeladen. Wichtig ist eine kurze Zusammenfassung und die genaue Angabe der Daten, unter denen das Material heruntergeladen werden kann.
  • Wichtig sind uns auch Hinweise auf interessante Projekte zur Enrährungssouveränität im Lande und in anderen Teilen der Welt.
  • Im Verlauf der Kampagne (Herbst 2014 – Herbst 2015) möchten wir in verschiedenen Orten Dialogrunden zur Vertiefung anregen.

 

Themen:

Die Fülle der aufgelisteten Themenbereiche sollte niemanden erschrecken; die Stichworte geben lediglich ein Bild davon, was alles in den Schmelztiegel unseres Projektes fallen könnte:

 

  • è  Böden und Bodenschutz (Viele haben es vielleicht vergessen: Das internationale Bodenbündnis - „European Land and Soil Alliance“ – ist im Jahre 2000 in Bozen gegründet worden!)
  • Wasserversorgung (Wie wichtig ist Wassereffizienz beim Kampf gegen Hunger und Armut?)
  • Klimawandel und Energieversorgung (Wie wirkt sich der Klimawandel auf die landwirtschaftliche Produktion aus und welche Risiken bringt die Abhängigkeit von Erdölprodukten mit sich?) – Anmerkung: Beinahe alle Gemeinden Südtirols sind Mitglieder des Klimabündnisses)
  • Bevölkerungsentwicklung und ihre Auswirkungen auf die Nachfrage nach Nahrungsmitteln: Wie werden 9 Milliarden Menschen satt? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Landwirtschaft?…
  • …..und: Wie wirken sich neue Essgewohnheiten der Mittelschichten in China, Indien, Brasilien….auf die globale Ernährungssicherheit aus?
  • Wo wird was angebaut? Welche Abhängigkeiten und Risiken ergeben sich daraus? Vertiefung einiger wirtschaftsgeographischer Eckpfeiler der globalen Nahrungsmittelversorgung.
  • Land und Stadt (Wie wirken sich Landflucht und Migration in die Großstädte auf die Ernährungssicherheit aus?)
  • Szenarien zur Zukunft des Sozialstaates: Wie kann die Ernährungssicherheit verarmter Haushalte monetär gesichert werden?
  • Beschäftigungsszenarien: Wie und wo finden Menschen Arbeit?
  • Altersstruktur der Bevölkerung
  • Politische Rahmenbedingungen für Nahrungssicherheit: Wo und wie werden die rechtlichen/steuerlichen Rahmenbedingungen für Nahrungsproduktion und Ernährung gesetzt?
  • Wirtschaft, Finanzpolitik und Handel in ihren Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und die Preise…
  • Globaler Markt: Welche Auswirkungen haben Lebensmitteltransporte auf die Umwelt?
  • Landgrabbing und Auswirkungen auf die Ernährungssouveränität im Süden der Welt (aber auch in den osteuropäischen Ländern)
  • Finanzspekulation auf Nahrungsmittel und Auswirkungen auf die Konsumenten
  • Machtkonzentration in der Lebensmittelindustrie
  • Kontrolle des Saatgutes durch multinationale Konzerne..
  • Selbstversorgung im familiären und regionalen Kontext (Wo ist was möglich?)
  • Konsumverhalten und Auswirkungen auf die regionale und globale Ernährungssicherheit
  • Werbung und deren Auswirkungen auf das Konsumverhalten
  • Direktverkauf bäuerlicher Produkte (Chancen und Schwierigkeiten)
  • Die Bedeutung der „solidarischen Einkaufsgruppen“ (Gas)
  • Fair trade in seiner kulturellen und ökonomischen Dimension…
  • Ist gutes Essen wirklich teuer? Die Kosten unterschiedlicher Ernährungsstile..
  • Wir und der Süden der Welt: Wie wirkt sich die Landwirtschaftspolitik der reichen Länder auf die Landwirtschaft im Süden der Welt aus?
  • Was können wir von den Ländern des Südens lernen?
  • Bäuerliche Familie – wer ernährt wirklich die Welt?
  • Ernährungssicherheit als Kernthema der Familienpolitik….
  • Die Bedeutung der „Mahl-Zeit“ für Familie und Lebensqualität
  • Nahrung für das „Gute Leben“
  • Man ist, was man isst: Ernährung und Gesundheit
  • Biodiversität: Was bedeutet Verlust an biologischer Vielfalt und welche Auswirkungen ergeben sich auf die Ernährungsouveränität?

 

Folgende Aspekte sind aus meiner Sicht zumindest gleichwertig mit den oben aufgelisteten:

  • Ethisch-spirituelle Aspekte:
  • „Ehrfurcht vor dem Leben und unserem Planeten Erde“
  • Achtsamkeit und Dankbarkeit
  • „gesegnete Mahl-Zeit!“
  • Der nicht-monetäre Wert der Nahrung

 

Nahrung und Kultur:

  • Einstellungen
  • Verhaltensmuster
  • Gemeinschaftsleben
  • Kunst und Literatur
  • Genussfähigkeit
  • Traditionen: was können sie uns für die Zukunft lehren…
  • Zur Ökologie der Zeiten in der Produktion und im Konsum von Lebensmitteln…
  • „Mahl-Zeit“ – als Zeit des Gemeinschaftslebens und der Verbundenheit

 

Das Leitmotiv der Expo ist nicht nur “Feeding the Planet“, sondern auch „Energy for Life“ – „Lebensenergie“ ist nicht nur eine Frage von Kalorien sonder auch eine Frage der Kultur.

Last but not least – Was auch noch gemacht werden könnte/sollte:

 

  • Vieles und Kunterbuntes zu einer zukunftsfähigen Kultur der Ernährung in Südtirol und im Rest der Welt
  • Kornkammer Südtirol
  • Roter Hahn
  • Slow food
  • Sortengarten Südtirol
  • Alpengenuss
  • DelikatESSEN vom Bauern
  • Hauswirtschaft und Ernährung
  • …..
  • …..

 

Es handelt sich – wie bereits oben geschrieben – um eine Skizze möglicher Schwerpunkte. Je mehr Menschen mitdenken und mitarbeiten, desto breiter und transdisziplinärer wird unsere Arbeit werden.

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