25. April – 2. Juni. Aufruf zum Dialog – auch wenn der „Krieg“ noch nicht zu Ende scheint…

libertà

„Zweifle nicht an dem der dir sagt er hat Angst aber hab Angst vor dem der dir sagt er kennt keinen Zweifel

Erich Fried (1974)

 

Aufruf zum Dialog – auch wenn der „Krieg“ noch nicht zu Ende scheint…

Vor ziemlich genau 50 Jahren habe ich mich als Jugendlicher aktiv ins politische Leben eingebracht. Mit einigen Freunden hatte ich im Frühjahr 1971 die Jugendgruppe (JUSOS) in der Sozialen Fortschrittspartei (SFP) gegründet.

Als Aktivist einer kleinen Oppositionspartei habe ich schmerzhaft erfahren müssen, was es heißt, mundtot gemacht zu werden, Diskriminierung, Häme, psychische und manchmal auch physische Gewalt zu erleben.

Diese Gewalt hatte ich schon als Kind erfahren, weil mein Vater als erster Deutscher einer alternativen Partei zum Bürgermeister einer Kleingemeinde gewählt worden war.

In den Folgejahren hat sich einiges im Lande verändert; Andersdenkende hatten mehr Raum zur freien Meinungsäußerung, Gesinnungskriege über das, was als „Gut/Böse“ zu gelten hatte, wurden zwar immer noch geführt, aber meist im Rahmen politischer Korrektheit.

Geblieben ist in mir eine besondere Sensibilität allen Formen von Intoleranz, Diskriminierung und Repression gegenüber.

Mag sein, dass ich deshalb all das, was um Corona herum in der Gesellschaft abläuft, als erschreckend empfinde.

Tod und Krankheit haben das gesellschaftliche Klima vergiftet. Ich denke dabei nicht nur an die dramatischen Bilder aus den Intensivstationen der Krankenhäuser. Genauso tief gehen die Bilder der „lebenden Toten“: Menschen, die in Folge der Präventivmaßnahmen psychisch, emotional, wirtschaftlich zu Grunde gehen.

Die Menschen haben Angst, und diese Angst ist Nährboden für eine totalitäre Entwicklung in der Gesellschaft.

Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus haben sich zu einem System geformt, den ich der Einfachheit halber als Coronismus bezeichne; ein Wort, von dem ich hoffe, dass es in wenigen Jahren Geschichte ist.

Wie hat dieser Coronismus das gesellschaftliche Leben verändert?

Nicht nur politische Szenarien haben sich verändert: rechts, links, Mitte… haben als politische Begriffe ihre historisch gewachsene Unterschiedlichkeit verwässert.

Die extreme Polarisierung in der Gesellschaft hängt nicht mit den gewohnten politischen Konflikten zusammen, sondern im Wesentlichen mit unterschiedlichen Vorstellungen vom Wesen des Menschen, seinen Freiheiten, seinen Rechten und Pflichten in der Gesellschaft.

Es macht einen Unterschied, ob man den Menschen als souveränes, selbstbestimmtes Individuum sieht, oder als Mitglied einer Herde, das – wenn nötig auch mit Gewalt – den Regeln dieser Herde angepasst werden muss. In einem solchen Weltbild haben Meinungsvielfalt, freie Meinungsäußerung, Kritik und alternative Vorschläge zum dominanten Mainstream kaum Spielraum. Daraus ergeben sich Maßnahmen, die weit über eine Verhältnismäßigkeit hinausgehen (Drohneneinsatz und Videoüberwachung zur Kontrolle der Menschen, Aufruf zur Denunziation…)

Ein Kennzeichen des Coronismus ist auch, dass nur ein einziges Bild von dem was „vernünftig“ ist, zugelassen wird. Wissenschaftler, Ärzte, Richter, die eine divergierende Meinung zum Mainstream zum Ausdruck bringen, werden diffamiert, totgeschwiegen oder gar mit Berufsverbot belegt.

Im Krieg sind alle Mittel recht“ (?!?) Gemäß diesem Motto wird mit vielen unsauberen Mittel gespielt; gleichzeitig wird auch ein offenes Hinterfragen unterbunden, über mögliche Ursachen dieses Krieges und der wirtschaftlichen Interessenskonflikte, die sich dahinter verbergen.

Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren. (Benjamin Franklin)

Die einzige Möglichkeit diesen Krieg zu beenden, sehe ich im Dialog. In einem gemeinsamen Fragen und Nachdenken, ohne Scheuklappen und ohne Voreingenommenheit.

Daher auch mein Aufruf, die beiden symbolträchtigen Feiertage am 25. April und 2. Juni zum Anlass zu nehmen, über Freiheit und Grundrechte nachzudenken.

Der „Tag der Befreiung“ bezieht sich nicht nur auf die Befreiung der norditalienischen Städte von den Nazis, sondern ganz allgemein auf die Freiheit von totalitären Systemen. Der „Tag der Republik“ erinnert an den Weg zu einer neuen Verfassung, in der die Grundrechte der Bürger festgelegt werden. Grundrechte, die einerseits den Staat verpflichten, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, andrerseits aber auch den Bürger vor staatlicher Willkür schützen sollen.

Nehmen wir diese Tage, ausgehend von den schmerzhaften Erfahrungen des letzten Jahres, als Anlass zu einem tieferen Nachdenken über das was uns als freie Menschen und nicht als Mitglieder einer Herde auszeichnen sollte.

Nicht im Sinne einer „Abrechnung“ über das was im letzten Jahr als recht/unrecht – gut/böse empfunden worden ist, sondern als Suche nach Wegen, unsere Gesellschaft menschenwürdiger und freier zu gestalten.

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3 Responses to 25. April – 2. Juni. Aufruf zum Dialog – auch wenn der „Krieg“ noch nicht zu Ende scheint…

  1. Mar Zi scrive:

    Vielen Dank. Sie sprechen mir aus der Seele.

  2. Hermann Barbieri scrive:

    Danke,

    für deinen Beitrag heute im Sender Südtirol! Erstens, dass ich jetzt

    etwas mehr Einblick habe in dein Leben. Zweitens: Mit deinen Gedanken

    zu Corona hast du mir aus dem Herzen gesprochen.

    lieben Gruß Hermann

  3. M.Pia Zitturi scrive:

    ich will es nicht glauben, dass wir schon wieder in Zeiten leben … wo “Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
    Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!” (Bert Brecht) – Ich will es nicht glauben – alles sträubt sich in mir, zu glauben, dass es immer noch möglich ist, und doch … Ich wünsche mir für die Menschheit: dass wir wieder denken lernen, verstehen lernen, sanft werden, uns als Menschen begegnen und nicht als Feinde.

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